Kapitel 8

Der Artbegriff im Buch Genesis

von Bodie Hodge und Dr. Georgia Purdom am März 7, 2019
Auch erhältlich in English

Artensterben: Jährlich verschwinden 58 000 Tierarten“, berichtet die Presse1 Jedes Jahr – wie viele Arten waren dann in der Arche Noah? „Von allen sollen je zwei von jeder Art zu dir kommen, damit sie am Leben bleiben“, hatte Gott zu Noah gesagt. Wie passt das zusammen?

„Ebra, Liger und Zebresel, au weia!“ So könnte man stöhnen in Anlehnung an den Schreckensruf der Helden von Der Zauberer von Oz (Lyman Frank Baum, 1856–1919) – denn diese Tiere gibt es tatsächlich. Man kann sie besuchen im Streichelzoo des Schöpfungsmuseums bei Cincinnati, Ohio.

Noch nie gehört? Nun, das Ebra ist Nachkomme von Eselhengst und Zebrastute, beim Zebresel ist es umgekehrt: der Vater Zebra, die Mutter Eselin. Und beim Zorse ist die Mutter ein Pferd (engl. horse). Bedrohlicher ist der Liger, eine Raubkatze. Sind das alles neue Arten? Was sagt die Bibel darüber?

Zorse

Ebra und Zorse im Creation Museum in Cincinnati

Was ist eine „Art“?

Zunächst muss geklärt werden: Was ist eine „Art“? In Biologiebüchern findet man die taxonomische Klassifikation von Pflanzen und Tieren: Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klasse, Stamm, Reich. Im Deutschen werden „Art“ und „Spezies“ auch synonym gebraucht.

Für Bibelleser kann das verwirrend sein, denn auch im Schöpfungsund im Sintflutbericht findet sich der Begriff „Art“. Doch der Artbegriff in der Bibel und der Artbegriff in der Biologie sind nicht immer deckungsgleich. „Art“ im Sinne von „Spezies“ ist eine von Menschen erdachte Bezeichnung im neuzeitlichen Klassifizierungssystem – und es ist gar nicht so einfach zu definieren, was nun eine Spezies ist und was nicht! Sowohl bibelgläubige Naturwissenschaftler („Kreationisten“) als auch Vertreter der Evolutionshypothese („Evolutionisten“) haben ihre liebe Mühe damit. Dieses Kapitel will zu einer Klärung beitragen.

Das Alte Testament wurde auf Hebräisch verfasst. Das hebräische Wort min in 1. Mose 1 wird mit „Art“ übersetzt: Gott schuf die Pflanzen und Tiere „nach ihrer Art“. Dasselbe hebräische Wort, min, taucht in 1. Mose 6 und 7 erneut auf: Gott weist Noah an, „von jeder Art“ der Landtiere (landlebender, Luft atmender Tiere) je ein Paar mit in die Arche zu nehmen (1. Mose 6,19–20; 7,14).

Der Wortlaut dieser Textstellen zeigt, dass Tiere und Pflanzen geschaffen wurden, um sich innerhalb ihrer Art zu vermehren, zu reproduzieren. Belege für diese Ansicht sehen wir deutlich, das heißt, das Gegenteil ist schwer zu beweisen, denn es gibt keine Berichte über Hutze oder Pfind – eine Kreuzung zwischen Hund und Katze bzw. Pferd und Rind ist offensichtlich nicht möglich. Eine gute Faustregel ist also: Wenn zwei Lebewesen sich miteinander kreuzen können, dann gehören sie zu derselben min – „Art“. In Wirklichkeit ist es zwar etwas komplizierter, aber fürs Erste und „für den Hausgebrauch“ ist das eine brauchbare Erklärung.

So kann man Hundeartige leicht miteinander kreuzen – Wolf, Dingo, Kojote, Haushund: Immer sind die Nachkommen Hunde; es gibt also einen min „Hund“; der Klarheit willen sprechen wir von einem „Grundtyp“. Das Gleiche gilt beim Huhn: Alle Hühnerrassen kann man kreuzen, und die Nachkommen sind immer Hühner; es gibt also einen min – Grundtyp „Huhn“. Dieses Prinzip ist leicht zu verstehen.

Doch in unserer Welt, in welcher Makroevolution und Jahrmillionen als Tatsache gelehrt werden, wurden viele zu dem Glauben verführt, die Tiere und Pflanzen einer bestimmten Spezies seien seit Zehntausenden, wenn nicht sogar seit Millionen von Jahren unverändert geblieben – zum Beispiel, dass Löwen oder Zebras schon extrem lange genau so ausgesehen hätten wie heute.

Hund

Alle Haushunde gehören zum Grundtyp Hund

Aus biblischer Sicht jedoch hat jedes Landtier wie der Wolf, das Zebra, das Schaf, der Löwe usw. mindestens zwei Vorfahren, die vor etwa 4300 Jahren auf der Arche Noah waren – aber seitdem haben sich diese Tiere stark verändert. Dennoch gehören Hunde immer noch zum min – „Grundtyp“ Hund, Katzen immer noch zum min – „Grundtyp“ Katze, und so weiter. Gott schuf eine Vielfalt innerhalb der Grundtypen, der ursprünglichen Arten. Auch traten nach dem Sündenfall genetische Veränderungen ein, was zu noch größerer Vielfalt geführt hat.

Hund

So erstaunlich vielfältig das Huhn sich zeigt – es bildet einen einzigen Grundtyp

Vielfalt innerhalb einer „Art“

Um der Verwechslungsgefahr von wissenschaftlichem und biblischem Sprachgebrauch zu entgehen und um die Wahrheit über Fragen des Ursprungs verständlicher zu machen, haben Schöpfungswissenschaftler in den USA einen neuen wissenschaftlichen Begriff für „Art“ im Schöpfungs- und Sintflutbericht der Bibel geschaffen: baramin.

Baramin ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus dem hebräischen Verb bara („erschaffen“) und dem Nomen min („Art“), das in 1. Mose 1,11–12.21.24–25 insgesamt zehn Mal vorkommt. Baramin steht also für: „ursprünglich geschaffene Art“. Da die ursprünglichen Vorfahren der Vögel und Tiere inzwischen verschwunden sind, versuchen Kreationisten herauszufinden, welche Varianten der Lebewesen, die wir heute kennen, welchem baramin – „Grundtyp“ angehören. Forschungsergebnisse lassen annehmen, dass der baramin – „Grundtyp“ fast aller Pflanzen und Tiere im taxonomischen Klassifikationssystem auf der Stufe „Familie“ oder möglicherweise der „Ordnung“ zu sehen ist; in seltenen Fällen kann baramin – „Grundtyp“ auch der Gattung oder der Art (Spezies) entsprechen.

Der Grundtyp

Der Grundtyp in der taxonomischen Klassifikation – hier: Eisbär

Baraminologen versuchen, Fossilien und lebende Organismen in Grundtypen einzuordnen. Dazu müssen viele Kriterien berücksichtigt werden, zum Beispiel Körpermerkmale und DNS-Sequenzen. Bei lebenden Organismen ist ein Hauptkriterium die Kreuzbarkeit, also dass innerhalb eines Grundtyps Hybriden möglich sind. Können zwei Tiere eine Hybride produzieren, so gelten sie als gleichartig, als demselben Grundtyp angehörend.2 Fehlende Fortpflanzungsfähigkeit zweier „verschiedener“ Tiere ist allerdings kein Ausschlusskriterium; wenn „unterschiedliche“ Tiere keine Nachkommen erzeugen können, heißt das nicht unbedingt, dass sie unterschiedlichen baramin angehörten; die Unfruchtbarkeit kann auch eine Folge von Mutation sein (Folge des Sündenfalls).

Zebresel (Kreuzung aus einem männlichen Zebra mit einem weiblichen Esel), Zorse (Kreuzung aus einem männlichen Zebra mit einem weiblichen Pferd – horse) und Hebra (Kreuzung aus einem männlichen Pferd – horse mit einem weiblichen Zebra) sind Beispiele für hybride Tiere: Sie sind Ergebnis der Paarung zweier „unterschiedlicher“ Tiere derselben „Art“ – baramin. Ein längst bekanntes Beispiel dafür ist das Maultier, Nachkomme von Pferdehengst und Eselstute; aber auch Zorse oder Zebresel sollte niemanden wirklich überraschen – Esel, Zebra und Pferd gehören alle zum Grundtyp Pferd.

Pferde

Winzig oder riesig, drahtig oder gedrungen: Alle diese Pferde gehören zum selben Grundtyp

Der Bibelleser mag sich nun fragen, wozu er das wissen muss. Nun, interessant wird es bei der Sintflut: Noah sollte Tiere „von jeder Art“ in die Arche nehmen. Auf der Ebene der Spezies wäre das nicht möglich gewesen; siedelt man den „Grundtyp“ aber auf den Stufen „Familie“ oder „Ordnung“ an, dann bot die Arche genügend Platz für je ein Paar pro Grundtyp (von manchen Grundtypen – baramin sollten sogar sieben Paare mitkommen).

Von Dinosauriern kennt man zum Beispiel bereits 700 Spezies, und man schätzt, dass das vielleicht die Hälfte aller Spezies ist, die es bei den Dinosauriern tatsächlich gab. Schöpfungswissenschaftler nehmen aber an, dass sie sich in etwa 50 Grundtypen einordnen lassen (und wenn Noah nur Jungtiere an Bord hatte, war diese Abteilung einigermaßen überschaubar). Auch wenn man die Fortpflanzungsfähigkeit von Dinosauriern nicht mehr erforschen kann, zeigen Fossilien doch, dass es vermutlich einen Grundtyp Ceratops gab (und innerhalb des Grundtyps unterschiedliche Rassen).

Ceratops

Alle diese Dinosaurier-Rassen gehören zum Grundtyp Ceratops

Nach der Sintflut wurde den Tieren befohlen, sie sollten „fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren“ (1. Mose 8,17). Dabei taten natürliche Auslese, Mutation und andere Mechanismen ihr Werk: Innerhalb jedes Grundtyps fand Speziation statt („Artbildung“).

Speziation musste sein, damit die Tiere auf der veränderten Erde überleben konnten – Beispiel Klimazonen je nach Breitengrad und Höhenlage. Besonders gut beobachten kann man die Speziation beim Grundtyp Hund mit Wolf, Kojote, Dingo und Haushund – besonders einleuchtend am Beispiel der Dichte und Dicke des Fells. Sie alle haben einen gemeinsamen Vorfahren, eine Urform des Wolfs.2

Hybridtiere sind normalerweise Nachkommen von Elterntieren mit gleichem oder fast gleichem Chromosomensatz. Wenn die Anzahl der Chromosomen unterschiedlich ausfällt, sind die Hybriden meist unfruchtbar, weil der ungerade Chromosomensatz die Produktion von Sperma- und Eizellen beeinflusst. Es gibt aber Ausnahmen. So können manche Maultiere (Pferd × Esel) sich fortpflanzen. Werfen wir nun einen Blick auf einige Hybriden zu Land und zu Wasser.

Zebresel, Zorse und Maultiere

Diese Hybriden sind das Produkt der Kreuzung innerhalb der Familie der Equidae. Zonkeys sind das Kreuzungsprodukt zwischen einem männlichen Zebra und einem weiblichen Esel; Zorse sind das Ergebnis der Paarung eines Zebrahengsts mit einer Pferdestute, und Maultiere entspringen einem männlichen Esel und einem weiblichen Pferd.

Seltener, aber ebenfalls möglich sind umgekehrte Kreuzungen (z. B. Maulesel, eine Kreuzung von Pferdehengst und Eselin). Sie alle gelten als unfruchtbar; Grund ist der ungerade diploide Chromosomensatz. In einigen Fällen konnte jedoch Fertilität (Fruchtbarkeit) festgestellt werden. Zebresel und Zorse haben eine Mischung aus den Eigenschaften ihrer Eltern, einschließlich der schönen Streifen ihres Zebra-Elternteils.

Liger, Tiwen und andere Katzen

Diese Hybriden sind das Ergebnis einer Paarung innerhalb der Familie Felidae. Liger sind das Kreuzungsprodukt aus einem männlichen Löwen und einem weiblichen Tiger. Liger sind die größten Katzen der Welt und wiegen 450 kg. Tiwen (engl. tigon) sind Nachkommen eines männlichen Tigers und einer Löwin. Diese Kreuzungen kommen nur in Gefangenschaft vor, da Löwen in Afrika beheimatet sind und Tiger in Asien leben. Außerdem sind die beiden in freier Wildbahn Feinde. Männliche Hybride sind unfruchtbar, weibliche in der Regel fruchtbar.

Andere Kreuzungen in dieser Familie: Rotluchs (engl. bobcat) × Hauskatze, Rotluchs × Luchs (engl. lynx, Hybriden: Blynx, Lynxcat). Es gab Paarungen zwischen Puma und Ozelot und viele weitere – dies zeigt, dass auch große, mittelgroße und kleine Katzen sich kreuzen können. Man kann also annehmen, dass es nur einen Grundtyp Katze gibt.

Wolphin

Und nun ans Meer: Auch in der Familie der Delphinidae gibt es Hybriden. Der Wolphin ist das Kreuzungsprodukt aus einem falschen Killerwal (Gattung Pseudorca) und einem Delfin (engl. dolphin, Gattung Tursiops). Eine solche Paarung fand 1985 in Gefangenschaft, im SeaLife-Park auf Hawaii, statt.3 Der Wolphin ist fruchtbar.

An dieser Hybride kann man gut erklären, warum es schwierig ist zu definieren, was eine Spezies ist. Ein Hauptkriterium der modernen Biologie für die Zugehörigkeit zweier verschiedener Tiere zur selben Spezies ist die Fähigkeit, sich zu kreuzen und dabei fruchtbare, fortpflanzungsfähige Nachkommen hervorzubringen. Nun werden heute Wal und Delfin verschiedenen Gattungen zugeordnet; doch Wolphine sind fruchtbar und das zeigt, dass der Wal zum selben Grundtyp gehört wie der Delfin. Man sieht, dass es schwierig ist, den Begriff „Spezies“ zu definieren. Aus biblischer Sicht hingegen ist es einfach: Wal und Delfin gehören zum selben Grundtyp.

Die „Unveränderlichkeit der Spezies“ und die Veränderlichkeit der Definitionen

Wir müssen sorgfältig unterscheiden zwischen dem Grundtyp im Schöpfungsbericht und der Spezies im Biologiebuch; landläufig werden beide „Art“ genannt. In einer Umfrage zur Definition von Spezies und Gattung würden die meisten antworten, diese gehörten in die wissenschaftliche Klassifikation von Tieren und Pflanzen. Im Allgemeinen werden die Wörter „Gattung“ und „Spezies“ bzw. „Art“ mit dem Taxonomie-System des großen schwedischen Forschers Carl von Linné (lat. Linnaeus; 1707–1778) assoziiert.

Anfang des 18. Jahrhunderts dachte bei „Gattung“ und „Art“ noch keiner an Klassifizierungs-Systeme; diese Wörter haben einen Bedeutungswandel erfahren und deshalb sollten wir uns damit befassen. Die Verwirrung um das Wort „Art“ bzw. „Spezies“ und die Veränderung seiner Definition hat sehr zum Kompromiss der Kirche mit der Evolution Ende des 19. Jahrhunderts beigetragen, und diese Verwirrung macht der Kirche bis heute zu schaffen. Nehmen wir uns etwas Zeit für einen Rückblick.

„Spezies“: Herkunft und Bedeutung

Das deutsche Wort „Spezies“ ist eine Ableitung von dem lateinischen species. Die lateinische Vulgata, die Bibelübersetzung von Hieronymus um ca. 400 n. Chr., schreibt für 1. Mose 1,21:

Creavitque Deus cete grandia et omnem animam viventem atque motabilem quam produxerant aquae in species suas et omne volatile secundum genus suum et vidit Deus quod esset bonum. (Hervorhebung hinzugefügt.)

Das hebräische min in diesem Vers übersetzte Hieronymus einmal mit species und einmal mit genus („Gattung“), für ihn waren species und genus also Synonyme. Drei Verse weiter unten, in 1. Mose 1,24– 25 findet sich das Wort species wieder; es steht für Art, Typ, Sorte. Und genus – „Gattung“ finden wir in den Versen 11–12 und 21; im hebräischen Urtext steht dort überall min.

Carl von Linné glaubte, dass Gott Himmel und Erde geschaffen hat, er war Kreationist. Latein war in ganz Europa die Gelehrtensprache (ähnlich wie heute Englisch in Wissenschaft und Handel), und so war es nur folgerichtig, dass Linné für sein Klassifikationssystem lateinische Begriffe gebrauchte; auch seine Systema Naturae und andere Werke verfasste Linné in Latein.

Die Vulgata und das Klassifikationssystem Linnés trugen dazu bei, dass Bibelübersetzer und Kommentatoren das lateinische species für die richtige Übersetzung des hebräischen min hielten; und min steht für die ursprünglich geschaffenen (und anfangs klar erkennbaren) Kategorien der Pflanzen- und Tierwelt, aus der keines der späteren Lebewesen ausbrechen konnte und jemals ausbrechen kann (trotz der Unterschiede zu den Urformen zur Zeit der Schöpfung und Sintflut).

Das Wort species in der lateinischen Bibel (in deutschen Bibeln: „Art“) steht also für die ursprünglich geschaffene Art – heute bezeichnen Kreationisten sie als baramin oder „Grundtyp“.

Hund spezies

Die ursprüngliche Auffassung von Spezies (vor Darwin): Alle Hunde gehören zur selben Spezies (ein einziger Grundtyp)

Spezies: Ein Bedeutungswandel

Am Anfang seiner Forschung dachte Linnaeus, das, was er als „Spezies“ bezeichnete, seien die geschaffenen Arten (Grundtypen). Später schloss er, dass die geschaffene Art in seiner Klassifikation auf der Stufe der Gattung steht oder sogar als Familie kategorisiert werden müsste. Leider hat sich diese Einsicht nicht durchgesetzt, weder Darwin wusste darum noch die allermeisten Evolutionisten damals und heute.4

Die Kirche verstand unter der Bezeichnung „Art“ (Spezies) weiterhin die „geschaffene Art“; doch im 19. Jahrhundert wurde Linnés Klassifikation bekannter und wurde zum Problem. Wenn Theologen und Kirchenleute sagten, sie glaubten an die „Unveränderlichkeit der Arten“, meinten sie damit die Unveränderlichkeit des geschaffenen Grundtyps. Doch in den Spezies laut taxonomischer Klassifikation gab es sehr wohl Variationen (Rassen) – was den aufmerksamen Beobachter zu der Erkenntnis brachte, dass Spezies sich sehr wohl verändern! Natürlich konnte nie jemand nachweisen, dass sich ein Hund in etwas Katzenähnliches verwandelt hatte oder dergleichen – Hunde waren immer noch Hunde, Katzen immer noch Katzen.

Doch die Irrtumsfalle war zugeschnappt: Christen lehrten weiterhin die „Unveränderlichkeit der Arten“ (gemeint war die Unveränderlichkeit des Grundtyps), nur hatten sie nicht bemerkt, dass „Art“ bzw. Spezies jetzt anders definiert wurde. Das Ergebnis: Man hielt die Christen für unwissend, stur, dumm. Denn die „neuen“ Spezies veränderten sich sehr wohl, das sah man mit dem bloßen Auge! Hunde bekamen einen anderen Körperbau, ihr Fell veränderte sich. Tatsächlich waren diese Veränderungen zwar nur Variationen innerhalb Grundtyps – laut der neuen Definition waren aber neue Spezies entstanden. Deshalb schien es vielen, als ob die Kirche Irrtümer propagierte mit der Behauptung, die Bibel lehre, die Arten seien seit der Erschaffung der Welt unverändert geblieben.

Es herrschte also Verwirrung über die Definition des Artbegriffs. Die Kritik an der „Unveränderlichkeit der Arten“ bewirkte vielleicht am meisten auf Grundlage von Charles Darwins Buch Über den Ursprung der Arten – auch wenn die Phrase „Unveränderlichkeit der Arten“, engl. fixity of species, gar nicht darin vorkommt. Auf seinen Reisen hatte Darwin viele Lebewesen beobachtet und dabei Variabilität festgestellt und nicht „Unveränderlichkeit der Arten“ (laut der neuen Definition).

Konsequenzen der neuen Auffassung des Artbegriffs seit Darwin

Spezies

Die neue Auffassung von Spezies seit Darwin: Wolf, Kojote, Dingo, Haushund bilden eigene Spezies5

Die Verwirrung über den Artbegriff und die Verunsicherung in der Frage, welche Tiere derselben Spezies angehören, wird deutlich in diesem scharfsinnigen Kommentar Eduard Oscar Schmidts (1823– 1886), Professor der Zoologie und Phykologie (Algenkunde) an der Universität Straßburg. Schmidt kritisierte das Vorgehen der Paläontologen. Diese, so Schmidt, postulierten zugunsten der Idee der Evolution und Erdzeitalter anhand der „kleinlichsten, oft nur individuellen Abweichungen … Unterarten und Spielarten“, wobei „das subjective Urtheil bei dieser Trennung der Art in die Unterarten noch weniger als bei der Artbeschreibung an Tradition und Gesetz gebunden“ sei:

Die völligste Zügellosigkeit in der Artmacherei hat aber einige Jahrzehnte hindurch bei den Paläontologen geherrscht, wo aus dem Bestreben, die Unterabtheilungen der geologischen Schichten durch ihre organischen Einschlüsse möglichst sicher zu stellen, die Artspaltung nach den kleinlichsten, oft nur individuellen Abweichungen bis in das Unglaubliche gegangen.

Eine gewisse Veränderlichkeit der Arten musste sich zwar auch dem blödesten Auge aufdringen; man zweigte Unterarten und Spielarten, Varietäten ab, welche man nach „minder wesentlichen“, durch Klima und Züchtung erworbenen Merkmalen charakterisirte, mit dem Vorbehalt, dass ihre Kreuzungen untereinander und mit der Hauptart fruchtbare Nachkommenschaft hervorbrächten, während sie gegen andere Arten sich wie die Hauptart verhielten.

Natürlich war das subjective Urtheil bei dieser Trennung der Art in die Unterarten noch weniger als bei der Artbeschreibung an Tradition und Gesetz gebunden. Die ornithologische Literatur der lezten [sic] vierzig Jahre dürfte von der hiermit eingerissenen babylonischen Verwirrung die geeignetsten Tausende von Beispielen geben.6

Der Angriff Darwins und anderer auf die „Unveränderlichkeit der Arten“ hatte verheerende Folgen: Zweifel am Wort Gottes, Abkehr vom christlichen Glauben, Hinwendung zu evolutionistischer Philosophie. George Bentham schrieb am 30. Mai 1882 an Francis Darwin über die Ansichten von dessen Vater Charles:

Ich war schon immer einer seiner größten Bewunderer und nahm seine Theorien und Feststellungen sehr zur Herzen, trotz des großen Schmerzes und der Enttäuschung, die sie mir anfangs bereiteten. Am 1. Juli 1858, dem Tag, an dem sein gefeiertes Werk in der „Linnean Society“ verlesen wurde, an diesem Tag sollte [auch] eine lange Abhandlung von mir verlesen werden, in der ich, die britische Flora kommentierend, eine Reihe von Beobachtungen und Fakten gesammelt hatte. Ich illustrierte damit, was ich damals für eine Unveränderlichkeit der Arten hielt, ungeachtet der Schwierigkeiten, deren Grenzen festzulegen; gleichzeitig schildert sie eine Tendenz zu ungewöhnlichen Formen, die durch Züchtung oder anderswie entstanden sind und sich, wenn sich selber überlassen, auf die ursprünglichen Grenzen zurückziehen. Glücklicherweise musste mein Werk dem von Mr. Darwin weichen; als dieses verlesen worden war, fühlte ich mich gezwungen, meine Überlegungen zu überprüfen. Ich fing an, Zweifel bei diesem Thema zu hegen, und angesichts von Origin of Species war ich gezwungen, wenn auch widerwillig, meine lang gehegten Überzeugungen, Ergebnis eines hohen Arbeitsaufwandes und vieler Beobachtungen, aufzugeben; ich strich den ganzen Teil meiner Abhandlung, der auf die Unveränderlichkeit der Originale bestand, und veröffentlichte lediglich die restlichen Teile in anderer Form, hauptsächlich in „Natural History Review“.7

Bis heute wirft man der Bibel vor, sie behaupte die Unveränderlichkeit der Arten. Dann wäre eine gute Antwort zu fragen: „Arten (oder Spezies) – was genau verstehen Sie darunter?“ Kreationisten würden der alten Definition zustimmen: Eine Art bzw. Spezies ist das, was Gott ursprünglich erschaffen hat. Doch wir könnten es auch anders, zeitgemäßer ausdrücken und „Art“ definieren anhand der „Unveränderlichkeit des erschaffenen Grundtyps“; das wäre noch klarer. Die Idee, ein Grundtyp könnte sich zu einem anderen Grundtyp verändern, kann getrost verworfen und bestritten werden, da eine solche Veränderung noch nie beobachtet wurde.

Nach dem Erscheinen von Darwins Ursprung der Arten gaben viele Kirchen ihre Position der „Unveränderlichkeit der Arten“ auf (ganz gleich nach welcher Definition) und öffneten sich für Kompromisse wie die Idee der theistischen Evolution (Glaube, die Evolution sei Gottes Schöpfungsmethode gewesen; Pflanzen, Tiere und Menschen habe er durch Evolution entstehen lassen; der glaubwürdige Geschichtsbericht der Bibel beginne erst in 1. Mose 12 mit Abraham).

Wenn wir verstanden haben, dass (und wo) die Kirche in die Falle des Irrtums getappt ist, werden wir unseren Gesprächspartnern weiterhelfen können. Wer die Geschichte nicht kennt, läuft Gefahr, dieselben Fehler wieder zu machen. Auch wir müssen lernen, auf unsere Worte zu achten und sorgfältig zu definieren.

Dem Schöpfer auf die Hände schauen

All die ursprünglichen Vorfahren der Tiere in diesem Kapitel – die Vorfahren von Esel, Pferd und Zebra, Tiger, Löwe und Luchs, Wal und Delfin – hat Gott bei der Erschaffung mit einer großen genetischen Vielfalt ausgestattet, die mit der Zeit sichtbar wurde innerhalb des jeweiligen Grundtyps (oder gemäß der alten Definition: innerhalb ihrer Art/Spezies). Natürliche Auslese, Mutation und andere Mechanismen haben die ursprüngliche Information verändert (vermindert, degeneriert); doch war sie die Grundlage der Variabilität innerhalb eines Grundtyps.

Innerhalb ein und desselben Grundtyps zeigt sich inzwischen eine große Vielfalt – man kann es vergleichen mit dem Prinzip des Grundrezepts: Ganz nach Wunsch kann man aus dem „Grundrezept Rührteig“ einen Kuchenboden herstellen oder Muffins, Kastenkuchen, Amerikaner, Donuts – als Nusskuchen, Marmorkuchen, Rotweinkuchen, Zitronenkuchen, und mit mehr Butter ist er noch leckerer. Hybride haben einen Teil der genetischen Information ihrer Eltern, nichts Neues also; aber die einzigartige Kombination bringt ein unverwechselbares, einzigartiges Tier hervor. Was für eine erstaunliche Vielfalt von Leben hat Gott erschaffen, um uns zu erfreuen!

Die Erkundung der Grundtypen ist ein spannendes Forschungsgebiet, wir können es wärmstens empfehlen. Egal welchen Grundtyp man sich vornimmt – Ente/Gans, Elefant/Mammut, Kamel/Lama, Apfel/Birne oder was auch immer: Baraminologie ist ein weites Feld für Biologen, Botaniker, Genetiker und Paläontologen, die über Gottes wunderbare Schöpfung staunen wollen.

Bodie Hodge forscht, schreibt und hält Vorträge für „Answers in Genesis“ (USA). Er hält einen Mastergrad in Maschinenbau (Southern Illinois University, Carbondale); siehe auch https://answersingenesis.org/bios/bodie-hodge/.
Dr. Georgia Purdom ist Doktor der Molekulargenetik (The Ohio State University). Sie war Assistentin und Dozentin für Biologie an der Mt. Vernon Nazarene University. Dr. Purdom ist Cheflektorin, Autorin und Referentin bei „Answers in Genesis“. Siehe https://answersingenesis.org/bios/georgia-purdom/.

Buch: Fragen und Antworten zur Wahrheit der Bibel

In diesem Band geht es vor allem um die Frage „Evolution – Wissenschaft oder Glaube?“

Read Online

Footnotes

  1. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/artensterben-jaehrlich-verschwinden-58-000-tierarten-a-982906.html (Stand 16.01.2019).
  2. Savolainen et al., „Genetic Evidence for an East Asian origin of Domestic Dogs“, Science 298 (2002): 1610–1613.
  3. Stephen Adams, „Dolphin and Whale Mate to Create a ‘Wolphin’,“ https://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1582973/Dolphin-and-whale-mate-to-create-a-wolphin.html, Stand 02.04.2008.
  4. Per Landgren, „On the origin of ‘species’“, in: S. Scherer, Hg., Typen des Lebens. Berlin: Pascal-Verlag (1993), S. 42.64.
  5. Zumindest im englischen Sprachraum herrscht Uneinigkeit über die Klassifikation dieser Hunde; unter Evolutionisten wird sie diskutiert. Manche ordnen alle diese Hunde als eine einzige Spezies ein (Canis lupus) und Wolf, Dingo, Kojote und Collie als Sub-Spezies. Andere sagen, das seien eigene Spezies, beim Wolf gebe es sogar zwei Spezies. Siehe zum Beispiel: https://nywolf.org/learn/wolf-faq/; https://en.wikipedia.org/wiki/Wolf#Taxonomy; https://en.wikipedia.org/wiki/Subspecies_of_Canis_lupus; https://en.wikipedia.org/wiki/Dingo; https://en.wikipedia.org/wiki/Coyote.
  6. Oscar Schmidt, Descendenzlehre und Darwinismus (Leipzig: F. A. Brockhaus, 1873), S. 82 (in der Webversion S. 94: https://archive.org/details/descendenzlehre01schmgoog/page/n94).
  7. Francis Darwin, Hg., The Life and Letters of Charles Darwin Including an Autobiographical Chapter, Volume 2. Erstausgabe 1897. Gemeinfrei. https://www.charles-darwin.classic-literature.co.uk/the-life-and-letters-of-charles-darwin-volume-ii/ebook-page-41.asp.

Hilfe beim Übersetzen

Bitte helfen Sie uns, mehr Material auf Deutsch bereitzustellen.

Hilfe beim Übersetzen

Visit our English website.